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Die Einführung von Straßennamen in Wetter (Ruhr)
Von Kreis- und Stadtarchivarin Stephanie Pätzold
Dass Straßen Namen haben, dass zur
Angabe einer Adresse Straße und
Hausnummer gehören, scheint uns heute
völlig selbstverständlich zu sein.
Doch seit wann ist das eigentlich in
Wetter (Ruhr) so?
Die Frage wird im Stadtarchiv immer
wieder gestellt, denn viele
Familienforscher*innen interessieren sich
nicht nur für die Lebensdaten ihrer
Vorfahren, sondern wüssten auch gern,
wo sie in Wetter gewohnt haben – und
erhoffen sich daher die Angabe einer
Adresse im heutigen Sinn.
Eine Recherche im Archiv hat ergeben,
dass das vor 1892 schlechterdings nicht
möglich ist. Eine kleine unscheinbare
Anzeige, erschienen in der Ruhrtalzeitung
am 28. September 1892, belegt, dass
Straßennamen erst am 1. Oktober 1892
in Wetter (Ruhr) offiziell eingeführt
wurden: „Aus der Umgegend. *Wetter,
27. September. Mit dem 1. Oktober wird
in unserem Orte die Straßenbenennung
und die damit verbundene Umänderung
der Hausnummern durchgeführt.
Wie die Leser aus dem Anzeigenteil
dieser Zeitung entnehmen können,
besitzt Wetter bereits 27 Straßen, welche
in Zukunft lauter schöne, zum Teil sogar
hochklingende Namen tragen werden.
Das ist auch ein Fortschritt.“ Soweit der
Text der Anzeige.
Tatsächlich finden sich die 27 genannten
Straßen durchnummeriert in einer
Tabelle im Anzeigenteil der
Ruhrtalzeitung. Für einige (allerdings nicht
für alle) dieser Straßen gab es demnach
bereits volkstümliche Namen, neben
diesen wird die künftige offizielle
Bezeichnung angegeben. Zu den als
hochklingend deklarierten Namen
dürften sicher die Kaiser- und die
Königstraße gezählt worden sein.
Darüber hinaus findet sich auch eine
Beschreibung der Lage der jeweiligen
Straße, die erforderlich war, da vorher
keine Straßennamen existierten. Dabei
werden teilweise Grundstücke/Häuser
und deren Besitzer angegeben, um die
Lage der neu benannten Straße zu
verdeutlichen; etwa, wenn es zur
Königstraße heißt: „vom Wohnhause
des Herrn Blank bis Schuhmacher
Geldmacher“.
Das leitet über zu der Frage, wie man sich
vorher beholfen hat. Für offizielle
Dokumente, etwa Steuererhebungen,
wurde die Lage der Häuser oder
Grundstücke in Textform beschrieben,
insbesondere die angrenzenden Besitzer
oder angrenzende öffentliche Gebäude,
wie zum Beispiel die Kirche, dienten zur
Lokalisation eines Hauses.
Überdies waren die Häuser
durchnummeriert. Das zeigt die im
Stadtarchiv befindliche „Urliste der
Volkszählung“ aus dem Jahr 1840.
Insgesamt kam man bei der Zählung für
Freiheit und Dorf Wetter auf 269
Haushalte, die Nummerierung der Häuser
reichte hingegen nur von No 1 bis No
128, denn auch damals gab es schon von
mehreren Parteien bewohnte Häuser
oder Hinterhäuser (die in der Zählung
mit Zusätzen wie a, b, c aufgeführt
werden). Auch diese Nummerierung
der Häuser entstammt aber im Regelfall
erst dem späten 18., meist dem 19.
Jahrhundert und stand oft in
Zusammenhang mit der Aufnahme in die
so genannten Brandversicherungslisten.
Vor allem aber kannte man sich im
überschaubaren Wetter vom Ende des
19. Jahrhunderts: die Angabe des Namens
reichte völlig aus, um jemanden eindeutig
zuordnen zu können. Das zeigen etwa
die Zeitungsanzeigen, die auch nach der
Einführung der Straßennamen in Wetter
bis deutlich in den Anfang des 20.
Jahrhunderts hinein ohne Adressangabe
auskamen, wenn etwa Frau X frische
Erbsen anzubieten hatte oder der Tod
von Herrn Y bekannt gemacht wurde und
es hieß, der Leichenzug beginne „ab
Trauerhaus“.
Nur langsam setzte sich die uns heute
so selbstverständlich erscheinende
Adressangabe (die in größeren Städten
schon am Ende des 19. Jahrhunderts
zum Standard gehörte) auch in Wetter
durch.
„… Lauter schöne, zum Teil sogar hochklingende Namen …“